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Es gibt einen Genderwahn

Es gibt einen Genderwahn published on 1 Kommentar zu Es gibt einen Genderwahn

von Katja Sabisch

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http://the-daily-feminist.tumblr.com/

Es gibt einen Genderwahn. Und ich als Professorin für Gender Studies bekomme nichts davon mit. Deshalb plane ich nun einen Facebook-Account und werde versuchen herauszufinden, wer oder was denn wahnsinnig ist. Ich weiß nämlich von meinen studentischen Hilfskräften, dass die Debatte darüber im Netz stattfindet – et voilà, hier bin ich!

Bislang habe ich feststellen können, dass unter Genderwahn bereits die Meinung fällt, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen eine gute Sache ist. Nun, das ist erstaunlich. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit hört sich für meine Ohren nicht allzu verrückt an. Vom Genderwahn sei aber auch die Wissenschaft betroffen – und das betrifft mich jetzt direkt, denn mein Lohn ist sowieso gleicher als der von anderen. Gender, so die einhellige Meinung, führe zu Unwissenschaftlichkeit. Und jetzt kommt es: Die Geschlechterperspektive in der Wissenschaft sei nicht objektiv und damit eben unwissenschaftlich. Auch das ist erstaunlich. Denn wenn ich die philosophischen und soziologischen Klassiker richtig verstanden habe, wurde die Mär von der wissenschaftlichen Objektivität spätestens zu Beginn des 20. Jahrhunderts als eben solche entlarvt. Und das nicht mal von Feministinnen, die hatten da weiß Gott anderes zu tun. Das heißt, dass nicht nur der wissenschaftliche Blick auf Geschlecht, sondern auch der auf Finanzmärkte, Kugelfische oder PEGIDA sozial positioniert ist. Wenn ich also demnächst eine große Studie über den Genderwahn anstrenge, ist das ein ebenso ärgerliches epistemologisches Problem wie die Erforschung der Eisbären auf der Insel Nordaustland bei Spitzbergen – und hat leider nichts mit Gender zu tun.

Dennoch: Dass Genderforschung unwissenschaftlich sein soll, finde ich interessant. Und irgendwie auch zukunftsweisend. Ich frage mich nämlich, ob das nun bedeutet, dass ich als genderwahnsinnige Forscherin alles veröffentlichen kann, was ich möchte – ohne Methodentriangulationen, Begutachtungsprozesse, double-blind-peer-review-Verfahren, Redigieren und Korrigieren. Das hört sich erstmal nicht schlecht an und wirkt sich vielleicht auch positiv auf den Drittmitteldruck aus. Wenn es den im Genderwahn nicht mehr gibt, lasse ich die Herren Hegel, Nietzsche und Mannheim gerne über die Klinge springen und behaupte fortan, dass es eine objektive Wissenschaft gibt. Das ist mir meine Work-Life-Balance wert.

Vielleicht bin ich aber schon seit längerem eine heimliche Unterstützerin des Wahns. Denn wenn ich mir meine Tochter so anschaue, die lieber mit Filly-Pferden spielt als mit Lego oder Playmobil, könnte es sein, dass auch sie sich im Genderwahn befindet. Filly-Pferde sind rosa, lila, türkis und sie glitzern. Sie tragen Kronen, Zauberstäbe und Flügel, manche haben sogar einen Meerjungfrauenschwanz – als Pferd, da muss man erstmal drauf kommen. Bei uns wohnen die meerjungfrauenschwanztragenden Pferde in einem „Filly-Blumenturm“ und einem „Filly-Witchy-Zauberschloss“– beides hat nicht das Christkind gebracht, sondern DHL. Ich habe also die Plastikträume selbst gekauft und unterstütze damit einen vergeschlechtlichten und stereotypisierenden Markt, der mit dem „Filly-Beauty Queen Basic Set I“ (die „I“ bedeutet wohl, dass es mehrere geben muss) den Startschuss für beautification und bodyfication gibt. Damit ist klar, dass Gender-Professorinnen Teil des Problems sind. Und dies nicht nur, weil sie für die wahnsinnige Unwissenschaft Steuergelder bekommen, sondern weil sie diese auch noch für Filly-Pferde ausgeben.

Facebookby feather

Ein Kommentar

[…] Oft wird einem als StudentIn oder WissenschaftlerIn der Gender Studies genau ein Argument immer wieder entgegengebracht: „Ihr seid doch gar keine richtige Wissenschaft.“ Denn „wir“ würden ja nur wilde Thesen aufstellen und nicht richtig fundiert Thematiken untersuchen. Genau, eigentlich sitzen „wir“ nur so an den Universitäten rum und denken uns beim Butterbrot mal, das stört mich, lass mal was dazu schreiben. In Studien schauen wir gar nicht erst rein und Datenerhebungsmethoden braucht mensch auch nicht. Mehr zu der Unwissenschaftlichkeit (Achtung, Ironie!) und den Gender Studies hat u.a. Prof. Katja Sabisch in ihrem Text geschrieben. […]

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